Eine Empfehlung von Ilma Rakusa
Chronik des eigenen Atems. 50 und 1 Gedicht
Aus dem Ukrainischen übersetzt von Claudia Dathe Suhrkamp, Berlin 2024, 124 Seiten, 20 Euro
Seit Frühjahr 2024 dient der bekannte ukrainische Lyriker in der 13. Brigade der ukrainischen Nationalgarde, wo er für militärisch-zivile Kommunikation zuständig ist; sein Gedichtband Chronik des eigenen Atems entstand zwischen dem 8. August 2021 und dem 4. Juni 2023. Kriegsgedichte? Nicht wirklich. Im Nachwort nennt Zhadan den Band eine »private, fragmentarische Chronik (…) voller Schnee, Gesang, Orthografie und Liebe«. Tatsächlich erstaunt, wie zart, ja zärtlich viele Gedichte sind, ohne Drastik, Wut und Hass. Da und dort finden sich atmosphärisch dichte Schilderungen eines »Armeealltags«; an anderer Stelle erinnert Zhadan in einem ergreifenden Memento an die ukrainischen Dichter, Schauspieler, Priester und Wissenschaftler, die in den 1930er-Jahren durch Stalins Schergen erschossen wurden. Oft aber spricht er über die Natur, den Atem, die Sprache (»Sprache des Zweifels, Sprache der Freude, Sprache des Dankes«), in jenem suggestiv-melodiösen Ton, der den hypnotischen Sound seiner Lyrik ausmacht und der ihm trotz der Schrecken des Krieges nicht abhandengekommen ist.