Eine Empfehlung von Anja Utler
Farbleib
Matthes & Seitz, Berlin 2024, 80 Seiten, 18 Euro
Behutsam nehmen Saskia Warzechas Gedichte ihre Leserïnnen bei der Hand und setzen sie immer wieder an derselben Stelle ab: hier. Entlang von wiederkehrenden Wörtern streift das Bewusstsein durch eine wachsende, atmende, vergehende Welt. Dabei gibt ein aus der Zeit gefallener »Zögling« Dauer, gewährt die widerständige Neuschöpfung »Farbleib« assoziative Durchlässigkeit. »ja – die Offenheit«, heißt es, und wirklich durchstrahlt Weite diesen Band. Die Sprache schwebt durch Variationen, erzeugt ein »Changierbild«, das die Dinge radikal aktiv und körperlich macht. Sie feiert eine Veränderlichkeit, die mich als Lesende einschließt: Statt »Streblicht« etwa lese ich Sterblicht, statt »Bindfarben« Blindfarben, und es ist, als lächelten die Gedichte meinen Irrtümern zu. »wie werden Zaubersprüche symmetrisch verfasst?«, fragt der Band, und die Antwort ist: so. Indem sie die Sprache in eine Heimstatt lebender Materie verwandeln, indem sie erlauben, dass ich, als »Hierscharnier«, mich einübe: in die schwierige Schönheit des Vergehens, die schöne Schwierigkeit zu überdauern.