Eine Empfehlung von Marie Luise Knott
Die Sonne und ich
Zweisprachige Ausgabe. Ausgewählt und aus dem Polnischen übersetzt von Dagmara Kraus und Henk Proeme. Urs Engeler, Schupfart 2024, 108 Seiten, Neue Sammlung 015, 12 Euro
Bekannt wurde Miron Białoszewski (1922–1983) hierzulande durch seine Erinnerungen aus dem Warschauer Aufstand von 1944. Doch in seinem Heimatland galt er vor allem als begnadeter Theatermacher und Dichter. Er dichtete »grammatikaffin« (Dagmara Kraus), alltäglich und experimentell (»schade zu überleben, ohne zu leben, / denn leben ist ein riesenerlebnis«). Schreiben und Leben, beides ist in seinem Werk ein verdichtetes Theater. Der Band Die Sonne und ich portraitiert das Leben im sozialistischen Plattenbau der 1970er-Jahre. Der lakonische, an Tagebucheinträge erinnernde Ton ist geblieben. Die Unmittelbarkeit auch. »Wir tragen uns aus / t r a g e n uns aus / in diesem Ei der Ewigkeit / und dann verschütten wir uns«. Oder »Plattenameisen«: »Alle / Verschwunden. / Was heißt das? / Ist das schlecht oder gut? / Auf jeden Fall / rette sich, wer kann / und was sich ergibt / das pack an!« Durch die großartige Nachdichtung von Dagmara Kraus und Henk Proeme können wir teilhaben an Białoszewskis Kunst, noch das Gewöhnlichste in Schönheit zu verwandeln.