Maria Borio / Tom Schulz: Briefe aus der Roten Wüste | Lettere dal deserto rosso

Eine Empfehlung von Joachim Sartorius

Maria Borio / Tom Schulz
Briefe aus der Roten Wüste | Lettere dal deserto rosso

Zweisprachige Ausgabe. Aus dem Deutschen übersetzt von Paola Del Zoppo, aus dem Italienischen übersetzt von Pia-Elisabeth Leuschner. Gutleut, Frankfurt a. M. 2024, 69 Seiten, 27 Euro

Eine italienische Dichterin und ein deutscher Dichter schreiben sich Gedichte als Briefe aus der Roten Wüste, eine Anspielung auf Antonionis berühmten Film. Anklänge an Monica Vittis apokalyptische Visionen in der menschenabweisenden industriellen Umwelt Ravennas finden wir in den ersten Briefen. Nach und nach lassen diese unruhigen Meditationen über Zerfall nach und weichen der Evozierung eines ländlichen Italiens, in einem sanfteren Tonfall: »Das Gesicht / ist still in meinen Zärtlichkeiten«, schreibt Maria Borio. »Ich stelle mir vor: / zwischen den Linien der Haut auch das Haus, / die Weinberge, die Olivenbäume, die ganze Welt, die wir sehen. / Aber der Planet kann dein Gesicht sein, etwas, / das zu umsorgen ist, das Leben heißt.« Immer wieder zeigt der Band, dass man auch heute berührende Liebesgedichte schreiben kann. Beide Übersetzerinnen haben den Wechsel der Stimmungen bravourös in die je andere Sprache geschmuggelt. Auf jeder Doppelseite stehen zwei Sprachfassungen von je zwei Briefen, und das Auge des Lesers kann hin und her wandern, vergleichen, bis der letzte Brief die Auflösung bringt und das allererste Kennenlernen der beiden Liebenden schildert.

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