Eine Empfehlung von Nico Bleutge
Autobiographie des Todes
Aus dem Koreanischen übersetzt von Uljana Wolf und Sool Park. S. Fischer, Frankfurt a. M. 2025, 160 Seiten, 28 Euro
Laut einer buddhistischen Sage irrt die Seele nach dem Tod 49 Tage lang in der Zwischenwelt umher. Kim Hyesoon hat diese Sage beim Wort genommen und einen aufwühlenden Zyklus geschrieben. 49 Todesarten. 49 Todeswahrnehmungen. 49 Stimmen, die von eben jener Twilight Zone sprechen, aber genauso von der Totenwelt und von der Gegenwart in Südkorea. In ganz unterschiedlichen Ensembles aus Wiederholungen und Variationen folgt man Menschen in die U-Bahn oder in den eigenen Körper. Uljana Wolf und Sool Park fangen in ihrer Übersetzung noch die kleinste Sprachnuance ein, vom »plopp, plopp« tropfender Steine bis zu jenem »schwarzen, fleischigen Vogel«, der einmal vor der Tür steht. Flankiert wird der Band von einem großen Interview, das die beiden Übersetzenden mit Kim Hyesoon geführt haben. Darin erzählt sie von ihren eigenen Begegnungen mit dem Tod, von Gewalterlebnissen und gesellschaftlichen Repressionsstrukturen. Ein beeindruckender Kommentar zu diesem Totentanz der Seelen, mündend in der Erfahrung, »dass die Sprache die Idee von einem ›Ich‹ wie ein Stück Müll wegwirft, um vom immer wieder zurückkehrenden Tod begrüßt zu werden«.