Sirka Elspaß: ich föhne mir meine wimpern

Eine Empfehlung von Christian Metz

Sirka Elspaß
ich föhne mir meine wimpern

Suhrkamp, Berlin 2022, 71 Seiten, 20 Euro

Klingt wie ein Beauty-Tipp. Ist aber eine Form hochriskanter Selbstverletzung: ich föhne mir meine wimpern, das Debüt von Sirka Elspaß, lotet vom Titel an die Grenzen zwischen Schönheit, Liebe, Gefahr und Verletzbarkeit aus: »ich will eine narbe die aussieht / wie du«. Virtuos überblendet Elspaß verschiedene Tonlagen und Register. Sätze, als wären sie der Twitter-Zirkulation entrissen: »ich schaue mir sehr lange meine socken an / und dann / auch dein gesicht«. Sprachfetzen aus der Selbsthilfegruppe: »einen körper zu haben bedeutet enorme verantwortung / und niemand kommt auf die welt / und weiß wie es geht«. Trivialitätsphantasien mit fieser Pointe: »in der gruppe für menschen mit essstörung / spricht jemand einen toast aus / auf das leben«. Und dazu liefert Elspaß auch noch kluge Reflexion: »die tränen einfach laufen lassen / ist auch so ein abgefahrenes konzept / das ich lange nicht verstanden habe«. Tränen laufen lassen, wie man einen Dieb laufen lassen könnte, statt ihn zu fassen? Elspaß verwischt die Grenzen zwischen Parodie, Ironie und Ernsthaftigkeit. Über viele Jahre gereifte, unbedingt bestaunenswerte Poesie.

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