Sibylla Vričić Hausmann: meine Faust

Eine Empfehlung von Marie Luise Knott

Sibylla Vričić Hausmann
meine Faust

kookbooks, Berlin 2022, 75 Seiten, 24 Euro

Lyrik sei ein Genre des Scheiterns, liest man in dem Band meine Faust – und Vričić Hausmanns Scheitern ist sprachliche Verführung pur. In zweimal sechs Anläufen umkreist sie frei und verspielt, mit biblischen und märchenhaften Tönen durchsetzt, das seelische wie körperliche Dasein von Mutter- und Tochterschaft, nicht nur das eigene Tochter- und Mutterdrama, sondern auch die Töchterschicksale berühmter Persönlichkeiten wie Sappho, Yoko Ono oder Toma Zdravković. Ein den Band durchwirkendes »(aber)« reckt seine sprachliche und gedankliche Faust gegen die Fesseln der Geschlechterzuschreibungen: Warum wird uns die Pflicht zur Mutterschaft von klein auf beigegeben, die Freiheit einer Existenz als Autorin hingegen tendenziell aberkannt? Warum fügen wir uns noch immer in das dichotome »Ich aber sage euch« der Bergpredigt? Becketts »scheitere besser« durchweht alle Anläufe dieser verführerischen poetischen Versuchsanordnung, »so zu leben, als sei man ein Ganzes«. Sibylla Vričić Hausmanns sinnlicher und entgrenzender Umgang mit der Sprache vereint Eros, mütterliche Liebkosung und zur Schrift geballte Faust.

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