Maria Stepanova: Mädchen ohne Kleider

Eine Empfehlung von Ronya Othmann

Maria Stepanova
Mädchen ohne Kleider

Russisch – Deutsch. Übersetzt von Olga Radetzkaja. Suhrkamp, Berlin 2022, 69 Seiten, 23 Euro

Drei Gedichtzyklen sind in diesem schmalen Band versammelt: »Mädchen ohne Kleider«, »Kleider ohne uns« und »Bist du Luft«. Es sind liedhafte Gedichte. Sie klingen und erzählen von der Kolonisierung des weiblichen Körpers, vom pornographischen Blick, dem Weggeworfenund Ausgeliefert-Sein, globalen Wertschöpfungs ketten, (alb) traumhaften Landschaften. Die 1972 in Moskau geborene und heute im Berliner Exil lebende Maria Stepanova befreit die Sprache von falschem Schmuck und Dekor. Sie geht dabei wie eine Forensikerin vor: »Immer ist da ein Pornoheft, immer ist es / Versiegelt mit züchtigem Zellophan, / Wie um zu sagen: Vor dir gab es keinen.« Maria Stepanova schält, säubert und poliert die Worte, bis sie wie blanke Knochen glänzen. »Immer ist da ein Zimmer mit einer waagrechten / Fläche, immer stehst du darin wie ein Baum, / Liegst wie ein Baum, wie umgestürzt immer / Die tauben Zweige hoch überm Kopf, / Erde zwischen den Fingern, Finger im Mund, / Deine Äpfel hast du nicht gehütet.«

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