Yordanka Beleva: Der verpasste Moment

Eine Empfehlung von Marion Poschmann

Yordanka Beleva
Der verpasste Moment

Bulgarisch – Deutsch. Übersetzt von Henrike Schmidt und Silviya Vasileva. Visuelle Übersetzung von Gaby Bergmann. eta, Berlin 2021, 85 Seiten, 19,90 Euro

Die bulgarische Lyrik ist in Deutschland, vielleicht mit Ausnahme der großen Mirela Ivanova, nahezu unbekannt. Umso verdienstvoller ist die Arbeit des eta Verlags, der seit fünf Jahren neue Stimmen aus Südosteuropa vorstellt, hier eine Hommage an die Farbe Weiß und die Ortlosigkeit. Die Gedichte von Yordanka Beleva kreisen um die Unfassbarkeit des Todes und die Absurdität eines fassbaren Körpers, der den anderen dennoch allzu oft verfehlt. Der verpasste Moment spielt sich zwischen offenen und geschlossene Zeitfenstern ab, er reißt Lücken in die Linearität des Tagesablaufs, er ist ein Augenblick der Abwesenheit, ein uneinholbarer Zeitpunkt, und dennoch ereignet sich genau dann das Gedicht. Liegt ein verpasster Moment also gar nicht in der Vergangenheit? Ist er vielmehr ein Konstrukt des Jetzt? Auf den ersten Blick handelt es sich um Liebesgedichte, aber wenn man etwa einen sperrigen Körper, der längst tot, doch unvergänglich ist, als Staatskörper lesen will, schwingt auch das Politische zwischen den Zeilen mit.

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