Eine Empfehlung von Joachim Sartorius
Gesammelte Gedichte
Herausgegeben von Chiara Caradonna und Leonard Keidel. Kommentiert und mit einem Nachwort von Chiara Caradonna. Wallstein, Göttingen 2021, 526 Seiten, 38 Euro
Rainer René Mueller ließ in den 1980er und 90er Jahren mit schmalen Editionen und erlesenen Künstlerbüchern aufhorchen. Hier war einer zu entdecken, der die Sprache befragte und schürfte und schindete und zum Funkeln brachte, der Einzige vielleicht, der die Errungenschaften von Paul Celan fortsetzte, in einer konkreteren Sprache allerdings, die die Beschädigungen unseres Lebens bloßlegte, zugleich aber angereichert war von tausend Splittern deutscher Geschichte und europäischer Kultur. Dann zieht sich der Dichter zurück, publiziert nur noch sporadisch an abgelegenen Orten, die Wahrnehmungsgeschichte bricht ab. Doch jetzt, mehr als 20 Jahre später, legt der Wallstein Verlag die Gesammelten Gedichte in einer mustergültigen Edition vor. Zum ersten Mal ist es möglich, die Weiten und Tiefen dieses Werkes zu ermessen. Eine verlegerische Großtat. Eine Großtat der Kommentatorin Chiara Caradonna. Bereitet ist alles nun, um die Sprachkunst, die blitzende Trauer, aber auch die Weltoff enheit eines bedeutenden Dichters wiederzuentdecken.