Miron Białoszewski: M’ironien

Eine Empfehlung von Marie Luise Knott

Miron Białoszewski
M’ironien

Polnisch – Deutsch. Übersetzt von Dagmara Kraus. Roughbook 054, Strasbourg, Oegstgeest und Schupfart 2021, 238 Seiten, 18 Euro

»schade zu überleben ohne zu leben denn leben ist ein riesenerlebnis.« Unmittelbar führen diese drei Zeilen in die Existenz- und Schreibweise des polnischen Dichters und Schriftstellers Miron Białoszewski hinein. Für Białoszewski (1922–1983), der den Warschauer Aufstand überlebte, in den 1950er Jahren als »Meister denkerischer Groteske« populär wurde und heute als Vater der modernen polnischen Poesie gilt, ging es darum, »das Leben, wie es sich abspielt, in Angriff zu nehmen«. Und Leben hieß Schreiben, hieß Neuschaffen. Die Krise der Sprache (»und zieht man den Dingen die Worte ab, schrumpfen sie nicht, büßen sie nichts ein«) ist die Krise seiner Welt. Sein Aufbruch, der mit Vor- und Endsilben und vor allem mit der Polyvalenz aus Klängen und Bedeutungen spielt, ist fast unübersetzbar, und doch gelingt es der Dichterin Dagmara Kraus mit Kraft und Schönheit: in den Erzählgedichten (»Wenn ich nicht im Zimmer bin, dreht der Hahn sich von selber auf«) ebenso wie in den Experimentgedichten, in denen Białoszewski etwa die »Wucht« des Anfangsbuchstabens dadurch erkundet, dass er ihn versuchsweise weglässt: »ühe«, »üsse«.

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