Ror Wolf: Alles andre: ungewiß

Eine Empfehlung von Joachim Sartorius

Ror Wolf
Alles andre: ungewiß

Herausgegeben und mit einem Nachwort von Michael Lentz. Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2020, 222 Seiten, 26 Euro.

Der 2019 verstorbene Ror Wolf schaffte es, zugleich sehr präsent zu sein und ein Geheimtipp zu bleiben. Michael Lentz hat aus Wolfs umfangreichem Werk eine Auswahl an Gedichten herausdestilliert, die auch die Wankelmütigen restlos betören können. Mich hat das Doppelbödige an Wolfs Gedichten immer angezogen. Das gespielt Ungelenke erinnert an Robert Walser. Aber unter der trügerischen Einfachheit verbergen sich zahllose Raffinessen. Zudem kannte sich Wolf im Komik-Fach prächtig aus, durchwirkte aber alle Heiterkeit mit Melancholie. Gern schlüpfte er in Alter Egos: Hans Waldmann, Raoul Tranchirer. »Im Auge der Nacht / 3. Achtung, wir werden beobachtet« lesen wir: »Waldmann, ein Beobachter des Lebens / vor den Fensterscheiben und des Schwebens // und des Reibens, weiter des Beschreibens / und des Bleibens und des Weitertreibens, / Waldmann sagt: Es ist das alte Lied. / Während durch die Nacht der Fremde flieht.« Ein kleines Selbstporträt. Waldmann freundet sich mit dem Fremden, seinem Double, an. Am Ende sitzen sie in der Küche, »auf dem Bier des Fremden etwas Schaum«. Solchen Szenen hat Wolf immer wieder Collagen zur Seite gestellt, die den Gedichten an Hintergründigkeit und surrealem Witz ebenbürtig sind.

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