Athena Farrokhzad: Bleiweiß

Eine Empfehlung von Christian Metz

Athena Farrokhzad
Bleiweiß

Aus dem Schwedischen übersetzt von Clara Sondermann. kookbooks, Berlin 2019, 72 Seiten, 19,90 Euro.

Was macht eine marxistisch geprägte, iranische Familie an ihrem ersten Weihnachten in Schweden? »Janssons- Versuchung« zubereiten und so tun, als sei die Deko-Verteilung im Zimmer tatsächlich ihr Problem. In Athena Farrokhzads Langgedicht Bleiweiß bedeutet Flucht, die eigene Heimat hinter sich zu lassen, seine prägenden Sichtweisen mit sich zu bringen und sie am neuen Ort neu auszubalancieren. Mutter, Vater, Bruder, Onkel, Großmutter lässt die Lyrikerin zu Wort kommen. Deren Aussagen aber verflechten sich zu keinem Gespräch, sondern bleiben isolierte Maximen und Ratschläge: »Meine Mutter sagte: Besser träumt man tot zu sein / als an all den Träumen zu sterben die einen erfinden«. Die Tochter der Familie kommt kein einziges Mal zu Wort. Über sie wird geredet, ihr gelten die Familienweisheiten. Wobei sie als Komponistin des mehrstimmigen Familienstücks dennoch alle Fäden in der Hand hält. Dank der konzisen, klaren Übersetzung von Clara Sondermann ist dieses faszinierend eindringliche, hellsichtige Familienbild jetzt auch im Deutschen zu entdecken.

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