Sibylla Vričić Hausmann: 3 falter

Eine Empfehlung von Uljana Wolf

Sibylla Vričić Hausmann
3 falter

Poetenladen, Leipzig 2018, 93 Seiten, 18,80 Euro.

»wan man die beiden motten-vögel durch das vergrößerungsglas betracht / so haben sie haare wie Ungarische bären«. Auf diese akut beglückende Beobachtung der Natur- und Schmetterlingsforscherin Maria Sibylla Merian stößt man in Sibylla Vričić Hausmanns Debütband 3 FALTER. Auch ihre Lyrik ist ein solches bär- oder verwandlungserzeugendes Vergrößerungsglas. Zwischen Fell- und Federsträngen verzweigen sich in vierzehn Triptychen Gespräche mit Christine de Pizan, Maria Sibylla Merian, Unica Zürn oder Sylvia Plath – über weibliche Identität, Begehren, »Raupentalente«, Kanonbildung und Zugang zu (Selbst-) Bildung. Vričić Hausmann holt sie alle in eine aufregende Zeitgenoss*innenschaft, die das Deutsche entlang diverser Falz- und Fluchtlinen produktiv »zerknittert« – so wenn Merians vornormierte Orthografie »Glanc« entfaltet oder experimentelle Verfahren an multilinguales Sprachdenken rühren. »Wie viele Falten braucht ein literarisches Werk, um glückend auf die Welt Bezug nehmen zu können?« Wer 3 FALTER zur Hand nimmt, kann beginnen, sie zu zählen, die Falten und die glückenden Bezüge, die auch das »in der Vergangenheit Versäumte« (Pizan) aufschließen.

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