Nora Bossong
Kreuzzug mit Hund

Suhrkamp, Berlin 2018, 101 Seiten, 20 Euro.

Trotz der Versprechen der Reisebüros, an bestimmten Orten unseres Planeten eine fast unberührte Natur vorzufinden, ist die Welt erobert, geplündert, vermessen. Jede schöne und jede noch so verdreckte Ecke lässt sich in Sekundenschnelle auf dem Smartphone anschauen, wir sehen die Hotels und Restaurants und daneben die Bewertungen, die unser Nachbar gemacht hat. Warum wird dennoch besinnungslos gereist, als gäbe es noch etwas zu entdecken? Wer die Reisegedichte – die in ihrer Masse längst die ›existentiellen‹ Gedichte abgehängt haben – aufmerksam liest, weiß, dass wir nichts von der Welt wissen und nichts von ihr gesehen haben. Nora Bossong zum Beispiel, aus Bremen gebürtig, hat in ihrem neuen Gedichtband Reisen in die nähere und fernere Umgebung gemacht, vom Kloster Corvey über Spanien, Italien, Jerusalem bis nach Persien. Was sie auf diesen Exkursionen des Sehens, Denkens, Fühlens und Lesens als wesentliche Erfahrung aufheben wollte, hat sie in den wenigen Zeilen ihrer Gedichte festgehalten. In ihren besten Stücken sind diese Miniaturen eben keine Reisegedichte, das macht sie für das Genre so wertvoll. Ach, wer da mitreisen könnte!