Ror Wolf: Die plötzlich hereinkriechende Kälte im Dezember

Eine Empfehlung von Heinrich Detering

Ror Wolf
Die plötzlich hereinkriechende Kälte im Dezember

Schöffling & Co., Frankfurt a. Main 2015, 128 Seiten.

Für Ror Wolfs Gedichte ist Hans Waldmann ungefähr das, was Donald Duck für die Comics von Walt Disney ist. Hans Waldmann ist der Weltmeister des Verschwindens, der Unfälle und Kalamitäten. Unablässig stürzt er ab und geht zugrunde, stoischen Gesichts wie Buster Keaton, und unauf haltsam ist er wieder da, weil jedes Ende nur vorläufig war. Das fortwährende Ende und sein fortwährender Aufschub – es ist diese Grundfigur von Samuel Becketts Schreiben, die auch die wundersam komischen, makaber traurigen Verse Ror Wolfs bestimmt. Straff und genau gereimt wie bei Wilhelm Busch, bewegen sie sich durch eine traumhaft entstellte Welt voller Schrecken und Wunder, in der noch das Banale und Bekannte erscheint wie nie gesehen – auch in den surrealen Collagen, die sie wie immer zauberisch begleiten. Da der Band »Gelegenheitsgedichte« einschließt, die zwischen 1959 und 2013 entstanden sind, gibt er nebenbei auch eine Einführung in Ror Wolfs poetische Welt. Und die endet auch diesmal nicht, trotz allen Zerfalls: »Wenn es so weitergeht, dann geht es weiter.«