Anna Maria Carpi: Entweder bin ich unsterblich

Eine Empfehlung von Harald Hartung

Anna Maria Carpi
Entweder bin ich unsterblich

Edition Lyrik Kabinett, Hanser, München 2015, 158 Seiten.

Italienisch – deutsch. Aus dem Italienischen von Piero Salabè. Mit einem Nachwort von Durs Grünbein.

Die Mailänderin Anna Maria Carpi ist bei uns durch ihre schöne Kleistbiographie (2011) bekannt geworden – in Italien hat sie auch einen Ruf als bedeutende Erzählerin und Übersetzerin (etwa von Nietzsche, Benn und Enzensberger). Der Kern ihres Werkes aber ist ihre Lyrik. Unter dem Titel »Entweder bin ich unsterblich« hat Piero Salabè eine Auswahl aus vier Gedichtbänden kongenial übersetzt; er trifft die feinen Nuancen von Sachlichkeit und Ironie. Die Titelzeile des Bandes findet sich in einem Gedicht, das vom Liebesdiskurs handelt und lautet vollständig »Entweder bin ich unsterblich oder nichts«. Diese Entschiedenheit von Gefühl und Denken findet sich in allen Gedichten von Anna Maria Carpi, ganz gleich, ob sie vom Mailänder Alltag reden, wo die Espressomaschinen dampfen, oder von einer Bar am Meer oder von einer Episode aus der Schlacht von Stalingrad. Durs Grünbein bringt in seinem informativen und sympathetischen Nachwort ein Selbstzitat der Dichterin, das das Wesen ihrer Poesie auf den Punkt bringt: »Prosa zu schreiben – das ist, wie in einer regulären Armee zu kämpfen. Zu dichten heißt dagegen, ein einsamer Franctireur, ein Freischärler zu sein.«