Sonja vom Brocke: Venice singt

Eine Empfehlung von Florian Kessler

Sonja vom Brocke
Venice singt

kookbooks, Berlin 2015, 112 Seiten.

Ein »Jungfernheim«, ein »Kunstalmsee«, ein »Milchglas mit Gift«. »Schwanensee«, die »Akropolis«, »Snow White aus Amerika«. Es geht wild zu in Sonja vom Brockes erstem Gedichtband, der in diesem Frühjahr bei kookbooks erscheint – oder nein, falsch, genau anders herum: Wildheit wird hier äußerst kunstvoll inszeniert. Voll hehrer abendländischer Referenzfallen ist das ständig überraschende Vokabular dieser Verse und voll ekstatischem Spott über allen hehren Glauben an die reine Tradition. Als würde höchstes Bildungsgut lustvoll mit Autotune-Stimmverzerrer vorgetragen, ergibt sich immer wieder die Frage nach der synthetischen Gemachtheit aller Erfahrungen, die aus dem künstlich spiegelnden Venice-Venedig dieses Bandes heraus auch eine nach der Gemachtheit der Geschlechter ist. Echtes Begehren, gibt es sowas? Nun: »Ich hab Hunger. Mir wurden Bohnen versprochen. Ich setze die 3D-Brille ab und bemerke, wie flach der Kopf meines Vorsitzers ist.«

Video anzeigen