Paul-Henri Campbell: nach den narkosen.

Eine Empfehlung von Uljana Wolf

Paul-Henri Campbell
nach den narkosen.

Wunderhorn, Heidelberg 2017, 96 Seiten, 18,80 Euro

Netflix hat Narcos, aber die Lyrik hat die neonarkotische Rebellion von Paul-Henri Campbell. Der Lyriker und Übersetzer, der 1982 in Boston mit einem Herzfehler geboren wurde, entwickelt insbesondere in dem titelgebenden Zyklus und dem als Nachwort fungierenden Essay eine Poetik der Insuffizienz.

Er umkreist den verstörend liquiden Seinszustand eines Menschen, dessen Körper wieder und wieder in den Herrschaftsbereich von pumpenden, schmatzenden, uns schließlich aufzeichnenden Maschinen gerät: »wielos so sie naht ist nachtnaht / so ist sie spur des skalpells / körper im traum loswie schweben schlaf«. Mit Wiederholungen, Skips und mehrsprachigen Sprüngen intonieren die Gedichte jenes »loswie« im Wortkörper und kritisieren zugleich die »reinheitsphantasy« einer an gesunden, ungebrochenen, nationalen Subjekten orientierten Sprachnorm. Einzuwenden bliebe vielleicht, dass es sich stellenweise betörend schön liest – als setzte das Aufbegehren gegen die Erfahrung »randomisierter« Endlichkeit noch einen verborgenen Überschuss von Präzision und Eleganz frei, der selbst narkotisierend wirkt.

Weitere Informationen: Verlag Das Wunderhorn