Milena Marković: bevor sich alles zu drehen anfängt

Eine Empfehlung von Uljana Wolf

Milena Marković
bevor sich alles zu drehen anfängt

Edition Korrespondenzen, Wien 2017, 96 Seiten, 19 Euro

Aus dem Serbischen von Peter Urban.

Wie klingt die Angst von Männern, die im eigenen Leben verschwinden? Wie die Liebe einer alternden Frau »mit atemnot / auf einer treppe ohne ende«? Gedichte, zumal in unseren Zeiten, müssten das wissen. Und sie wissen es längst in den genauen, zerbrechlich rauen Gedichten von Milena Marković, der wichtigsten zeitgenössischen Dramatikerin Serbiens. Dank der Übersetzungen, die Peter Urban vor seinem viel zu frühen Tod angefertigt hat und die von Kristina Daniels und Reto Ziegler verdienstvoll ediert wurden, können auch wir die Lücke schließen. Ob Schlaflied, Gebet oder Rede zwischen fickriger Panik und posttraumatischer Resignation, Marković lässt gekonnt Figuren sprechen, die von den Zentrifugalkräften Europas an den Rand gedrängt wurden: »macht liegestützen / unsere schatten werden umgehn in wien / im schloss umherirren und die herrschaft erschrecken / wartet / gute nacht meine söhne.« Zorniger, sinnlicher Furor der Verdrängten, die gegen das Verschwinden aufbegehren und bissige Hoffnung hervorschleudern. Da braucht ein Gedicht gar nicht erst »fuck you cv« zu heißen. Muss es aber.

Weitere Informationen: Edition Korrespondenzen