Joseph Zoderer: Die Erfindung der Sehnsucht

Eine Empfehlung von Michael Krüger

Joseph Zoderer
Die Erfindung der Sehnsucht

Haymon Verlag, Innsbruck 2017, 80 Seiten, 19,90 Euro

Der Südtiroler Joseph Zoderer, 1935 in Meran geboren, der mit seinen Romanen wie kein anderer die tragische Geschichte seiner Heimat geschrieben hat, hat als Dichter begonnen. Jetzt, im gesetzten Alter, hat er einen neuen Gedichtband veröffentlicht, der nichts von einem abgeklärten Alterswerk hat. Darin geht es in der zartesten und drängendsten Form um nichts anderes als um die Liebe. Wie der Daumenabdruck eines Menschen unter sieben Milliarden Erdenbürgern nur einmal vorkommt, so gibt es auch keine Liebe, die der anderen gleicht. Deshalb heißt es bei Zoderer: »Wir werden unsere Sprache / erst erfinden müssen / und dem Schweigen eine Stimme geben / mit Worten wie Gras / wie Baumrinden / oder fallender Schnee.«

Der Band kommt ohne Interpunktion aus, die Gedichte schreiben sich gleichsam von selber und kommen immer wieder zurück zur Natur. »Vielleicht hast du die Sehnsucht für mich erfunden«, heißt es einmal (ohne Fragezeichen), und nicht von ungefähr steht hier »vielleicht«: Mehr kann auch der ehrlichste Dichter nicht wissen. – Ein schöner, unergründlicher Band, der sich nicht auslesen lässt.

Weitere Informationen: Haymon Verlag