Volker Braun: Handbibliothek der Unbehausten

Eine Empfehlung von Michael Krüger

Volker Braun
Handbibliothek der Unbehausten

Suhrkamp, Berlin 2016, 109 Seiten, 20 Euro.

Wer den Band von Volker Braun liest, liest die Geschichte der Poesie gleich mit. Jede Zeile ist ein Echo der intensiven Lektüre der Altvorderen, doch muss man keinem Eklektiker zuhören, der à la Goethe, Hölderlin, Mörike oder Brecht dichtet, sondern einzig wie Volker Braun: ein Dichter, der einmal dialektisch dachte, die Hoffnung auf den Sieg der Vernunft nicht aufgeben wollte, und nun einsehen muss, dass Vernunft und Aufklärung sich nicht mit dem Kapitalismus vereinbaren lassen. Ziemlich am Anfang dieses aufregenden und inspirierenden Bandes steht ein kleines Gedicht mit dem Titel : »Das wünscht ich mir: das Bretter haus am See«. Natürlich denkt man sofort an Brechts Buckower Elegien: »Das kleine Haus unter Bäumen am See«. Aber Volker Braun schreibt eben keine Replik, kein Gegengedicht, sondern als Kenner Brechts ganz eigene, anrührende Verse : »Am Ufer Schilf, Gewisper aus vier Winden. / (...) / Rollbilder an der Wand. Die alten Schriften. / (...) / Auf meiner Matte trink ich deinen Tee / Die Kinder tuschen Zeichen in die Weltsprache. / Das Jahr der Wandlungen hat erst begonnen.«

Volker Braun, geboren 1939 in Dresden, lebt als Schriftsteller in Berlin. Anfang der sechziger Jahre wurde der Lyriker bekannt und machte sich bald auch als Dramatiker, Prosaautor und Essayist einen Namen. Er erhielt zahlreiche bedeutende Literaturpreise, darunter 2000 den Georg-Büchner-Preis.

Weitere Informationen: Suhrkamp Verlag