Vladislav Chodasevič: Europäische Nacht

Eine Empfehlung von Ursula Haeusgen

Vladislav Chodasevič
Europäische Nacht

Arco Verlag, Wuppertal 2014, 222 Seiten.

Ausgewählte Gedichte 1907 bis 1927. Aus dem Russischen von Adrian Wanner, mit einem Nachwort von Vladimir Nabokov.

Europäische Nacht ist kein Roman von heute, wie man vielleicht denken könnte. Die hier versammelten Gedichte entstanden 1907-27, und Vladimir Nabokov pries ihren Autor als den »Stolz der russischen Dichtung«. Im Westen kaum bekannt, wurde er in der Sowjetunion totgeschwiegen und erst unter Gorbatschow erschien eine Gesamtausgabe, die ihn sofort zum ›Klassiker‹ werden ließ. Ilma Rakusa bezeichnet ihn in der NZZ als einen eleganten Saturniker, einen pessimistischen Klassizisten und formbewussten Melancholiker, der Dualität und Distanz zu den Grundzügen seiner Lyrik machte. Seine Gedichte bringen dies alles sehr anschaulich zum Ausdruck und vor allem die Atmosphäre und das Leben in dieser schwierigen Zeit in Russland, Berlin und Paris. Die Gedichte aus Paris, seiner letzten Station, sind voll tiefer Skepsis und Desillusion und beschwören eine europäische Nacht herauf. Die dann auch kam: Chodasevič, der 1939 an Krebs stirbt, entkommt zumindest dem Konzentrationslager, in dem seine letzte Frau umkommt. Wer diese Gedichte liest in ihrer Klarheit und Schärfe, auch die Reime, die Chodasevič meisterhaft beherrscht, der fühlt sich an- und hineingezogen in diese Sprache – auch wenn der Inhalt mitunter verstörend ist. Und er spart sich einige Geschichtsbücher.