Christine Lavant: Zu Lebzeiten veröffentlichte Gedichte

Eine Empfehlung von Monika Rinck

Christine Lavant
Zu Lebzeiten veröffentlichte Gedichte

Wallstein Verlag, Göttingen 2014, 719 Seiten.

Herausgegeben und mit Nachworten von Doris Moser und Fabjan Hafner, unter Mitarbeit von Brigitte Strasser.

»Trau der Mannschaft deines Seglers zu, / dass sie tüchtig aus der Trunkenheit / aufstehn könnte, jeder einzeln aufstehn, / jeder noch bis übers Kinn besoffen, / aber hingehn und das Seine tun!« Das Editionsprojekt des Wallstein-Verlags zeigt, wie eine gute Neu-Edition das Bild, das man von einer Autorin gewonnen hat, nachhaltig verändern kann. Stellte noch Thomas Bernhard in seiner Zusammenstellung der Gedichte von Lavant für den Suhrkamp-Verlag das Leiden ins Zentrum, zeigt sich bei der Lektüre des gesamten poetischen Werks nun: die Freude des Machens, die ungeheure Transformation von Schmerz und Leid in ein großes, kraftvolles und zuweilen immens komisches Werk. So enthalten die Lyrikbände »Die Bettlerschale« und »Spindel im Mond« je etwa 150 Gedichte. Wenn es einem auch schwerfällt, Christine Lavant da nicht zu widersprechen, wo sie sagt: »Kunst wie meine, ist nur verstümmeltes Leben«, müsste man in diesem Selbstzeugnis doch eigentlich vor allem erkennen, welch ungeheure Wertschätzung dem verstümmelten Leben gebührt.